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Die Mess-Spitze

Die Mess-Spitze als Sonde

Die geometrische und elektronische Form der Spitze hat auf die Interpretation der gewonnenen Daten direkten Einfluss. Erinnert man sich daran, dass experimentell gewonnene Daten stets eine Faltung der zu messenden Größe mit dem Messgerät sind, wird die Bedeutung der Spitze intuitiv klar. Die am Rechner dargestellten Profile sind nicht reine Oberflächentopographien, sondern eine Faltung der Oberflächentopographie mit der Spitzengeometrie (Abb. 1). Anhand von Abb. 1 kann man intuitiv verstehen, warum verschiedene Untersuchungen verschiedene Spitzentypen erforderlich machen. Interessiert man sich beispielsweise für eine sehr raue Oberfläche, ist eine sehr lange dünne Spitze erforderlich, um ein möglichst genaues Abbild der Probenoberfläche zu erhalten. Zum Beispiel können hohe Stufenkanten nur aufgelöst werden, wenn die Spitze scharf genug ist, um ihre Konturen exakt nachfahren zu können. Anderenfalls wird der Tunnelstrom an den Kanten von Atomen an der Seite der Spitze getragen und dementsprechend der $z$-Abstand zur Oberfläche auf konstanten Tunnelstrom geregelt. Untersucht man eine glatte Oberfläche, so ist die makroskopische Form der Spitze von untergeordneter Bedeutung, da die Seiten der Spitze in keinem Fall zum Tunnelstrom beitragen.

Abb. 1: a) Skizze gemessener RTM-Profile für 0,75 μm breite und 1 μm tiefe Gräben bei einer Spitze mit 50 nm Radius und 15° konischen Halb-Öffnungswinkel. b) Gleiche Situation, gemessen mit einem Halb-Öffnungswinkel der Spitze von 5°.

Spitzen-Präparation

Für unsere Experimente wird für die Rastersondenspitze ein Draht aus Edelmetall genutzt, der sich aufgrund seiner geringen chemischen Aktivität besonders für Untersuchungen unter ambienten Bedingungen eignet. Da die edlen Metalle wie Platin (Pt) leider eine geringe Härte besitzen, wird etwas Iridium (Ir) beigemischt, um eine unbeabsichtigte Zerstörung der Spitze zu vermeiden. Um eine neue Spitze zu präparieren, wird ein 250 μm dicker 90%Pt-10%Ir-Draht auseinandergerissen. Der besondere Trick besteht darin, den Draht nicht zu zerschneiden, sondern zu zerreißen, da er auf diese Weise leicht zerfließt und die Scherkräfte eine im Vergleich zum zerschnittenen Draht dünnere Spitze ermöglichen (Abb. 2a). Auf diese Weise präparierte Spitzen sind meist weder sehr dünn noch besonders uniform (Abb. 2b), welches sie für eine Untersuchung von stark zerklüfteten Oberflächen sehr schwer einsetzbar machen kann.

Abb. 2: a) Reißen der Rastersondenspitze mit einem Seitenschneider. b) Mess-Spitze aus Pt-Ir, ca. 2200-fach vergrößert.

Spitzen-Manipulation

Ein Spitzen-Proben-Kontakt kann nicht immer verhindert werden. Deshalb braucht man Möglichkeiten, die Spitze zu optimieren, ohne gleich eine neue anfertigen zu müssen. Besonders in einem Ultrahochvakuum-Messplatz ist ein Wechsel der Spitze meist mit einem Belüften und Öffnen des Systems verknüpft, was natürlich vermieden werden soll, da sonst das Vakuum erst wieder neu erzeugt werden muss. Ein weiteres Problem stellt die Beurteilung einer Spitze dar, es muss nämlich das atomare Ende beurteilt werden, was RTM-Bilder mit einer Auflösung im Ångström- Bereich erfordert. Somit ist die wirkliche Qualität der Spitz i.A. erst bei den ersten Messungen mit dem RTM zu erkennen. Eine extreme Möglichkeit der Spitzenveränderung besteht darin, bewusst einen Spitzen-Proben-Kontakt herbeizuführen und somit die Form der Spitze zu verändern. Eine schonendere Methode stellt das sogenannte Pulsen da. Hier wird die Rückkopplungsschleife vorübergehend deaktiviert und die Tunnelspannung kurzzeitig erhöht. Daraus resultiert ein relativ hohes elektrisches Feld im Tunnelkontakt, was je nach Polarisation der Spannung zu einem Transfer von wenigen Atomen von der Spitze zur Probe oder umgekehrt führt. Die Auswirkungen der Pulse werden in Abb. 3 am Beispiel zweier Probenoberflächen gezeigt. Man sieht, wie "Täler" oder "Berge" auf dem Substrat entstanden.

Abb. 3: a) RTM-Bild eines W(001)-Kristalls mit kleinen Cr Inseln und einer großen dreidimensionalen Inseln, die aus von der Spitze abgeworfenem Material besteht (U = 1 V; I = 0,6 nA). b) Ein Loch auf einem mit mehreren Nanometer dicken Ni-3D-Inseln bewachsenen HOPG-Substrat (U = 0,3 V; I = 0,05 nA). Die Strukturen entstanden während der Spitzen-Manipulation, wobei Spannungspulse zwischen 5 und 10 V bei 2,5 nA und ausgeschalteter Rückkopplungsschleife ausgeführt wurden.