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Das Rastertunnelmikroskop

Funktionsweise eines Rastertunnelmikroskops

Im Rastertunnelmikroskop (RTM) wird eine feine Metallspitze als lokale Oberflächensonde verwendet. Der vordere Spitzenabschnitt kann mit Hilfe eines piezoelektrischen Stellelements in alle drei Raumrichtungen mit einer Genauigkeit im Sub-Ångström-Bereich positioniert werden. Gegenüber der Spitze befindet sich eine elektrisch leitende Probe, deren Oberfläche das Untersuchungsobjekt ist.

Eine Tunnelspannung $U$ im Bereich von einigen mV bis V wird zwischen Spitze und Probe angelegt. Reduziert man nun den Abstand der vordersten Spitzenatome zur Oberfläche auf wenige Å, so dass die quantenmechanischen Wellenfunktionen von Spitze und Probe einen merklichen Überlapp besitzen, dann können Elektronen aus besetzten Zuständen der einen Elektrode in unbesetzte Zustände der anderen tunneln. Es tritt ein schwacher, aber dennoch messbarer Tunnelstrom I von einigen Pikoampere bis Nanoampere auf.

Wie wir oben gesehen haben, zeigt dieser eine starke Abhängigkeit von der Breite $s$ der Vakuumbarriere: $$ I \propto \exp \left( -A \sqrt{\phi_m} s \right).$$ Dabei ist $A \approx 1 Å^{-1}(eV)^{-1/2}$ und $\phi_m$ die mittlere lokale Barrierenhöhe zwischen den Elektroden, die von den jeweiligen Austrittsarbeiten abhängt. Für Metalle beträgt φm typischerweise ein paar Elektronenvolt. Anhand der obigen Gleichung lassen sich zwei wichtige Eigenschaften des RTMs ableiten:

  1. Eine Vergrößerung der Barrierenbreite um 1 Å führt zu einer Reduzierung des Tunnelstroms um etwa eine Größenordnung. Deshalb besitzt das RTM eine extrem hohe Sensitivität für vertikale Abstandsänderungen zwischen Spitze und Probe. Es können Variationen bis auf einige Pikometer registriert werden.
  2. Der Tunnelstrom ist lateral sehr stark lokalisiert. Im Idealfall fließt der Hauptteil über ein einzelnes Atom am Spitzenende. Die Tunnelwahrscheinlichkeit für Elektronen in (oder aus) Atomen, die nur 1 Å weiter von der Oberfläche entfernt sind, ist deutlich reduziert. Demnach ist das RTM sensitiv auf die Tunnelleitfähigkeit der Probe im Bereich des vordersten Spitzenatoms.

 

In Abb. 1 ist eine sehr vereinfachte Prinzipskizze eines Rastertunnelmikroskops mit einem sogenannten Röhrenscanner als piezoelektrischem Stellelement dargestellt.

Der bekannteste Betriebsmodus des RTMs ist der Konstant-Strom-Modus. Zur Bildaufnahme wird ein gewünschter Bereich der Oberfläche in ein laterales Raster ($x$, $y$) unterteilt und zeilenweise von der Spitze abgefahren. Gleichzeitig wird die vertikale Auslenkung ($z$) der Spitze über das Stellelement durch einen Regelkreis gesteuert. Der gemessene Tunnelstrom wird jederzeit mit einem vom Experimentator vorgegebenen Sollwert verglichen. Bei einer Abweichung wird der Spitze-Probe- Abstand so nachreguliert, dass der gemessene und der Sollwert übereinstimmen. Die Spitze bewegt sich somit auf einer Fläche konstanten Tunnelstroms über die Probenoberfläche. Die von der $z$- Regelung gelieferten Steuerspannungen an das Stellelement werden im Computer für jeden Rasterpunkt aufgezeichnet.

Anhand der bekannten Charakteristika des Piezoelements können die Steuersignale in eine Längeneinheit umgerechnet werden, wodurch sich ein dreidimensionales Abbild $z(x, y)$ der von der Spitze abgefahrenen Fläche ergibt. Die Fläche $z(x, y)$ kann in erster Näherung als eine Kopie der Oberflächentopographie betrachtet werden. Dies gilt insbesondere, wenn der untersuchte Bereich atomare Stufenkanten, hohe Inseln oder andere markante Objekte enthält. Deshalb wird der Konstant-Strom-Modus häufig auch als topographischer Modus bezeichnet. Bei Höhendifferenzen im Bereich von Å lassen sich Konturlinien in RTM-Aufnahmen jedoch nicht mehr uneingeschränkt als Höhenprofil der Oberflächentopographie interpretieren. Vielmehr bildet $z(x, y)$ stets eine Fläche konstanter elektronischer Probenzustandsdichte im Bereich der Fermienergie ab.

Abb. 1: Funktionsweise eines Rastertunnelmikroskops. Während die Tunnelspitze rasternd über die Probe gefahren wird, sorgt ein Regelkreis für einen konstanten Tunnelstrom und damit für einen konstanten Abstand zwischen Spitze und Probe. Die Auslenkungen der Spitze ($z$) in Funktion des lateralen Ortes ($x$, $y$) ergeben dann das Rastertunnelmikroskopie-Bild.