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Die Probe

Probenmaterialien

Da bei der RTM Informationen aus einem Strom gewonnen werden, ist eine gewisse Leitfähigkeit vorauszusetzen. Um nun die Frage zu beantworten, welche Materialien untersucht werden können, sollte man sich daran erinnern, dass der Tunnelstrom ein Maß für die Zustandsdichte nahe des Fermi-Niveaus ist. Die typischen Energiebänder und ihre Besetzung von Metallen, Isolatoren und Halbleitern sind in Abb. 1a gezeigt. Die entsprechenden Zustandsdichten und die daraus resultierenden $I(U)$-Kennlinien sind in Abb. 1b dargestellt.

Bei Metallen sind die Zustände innerhalb eines erlaubten Energiebands um das Fermi-Niveau besetzt, es handelt sich um ein zumindest teilweise angefülltes Leitungsband, in dem sich die Elektronen ungestört bewegen können. Damit lässt sich die gute elektrische Leitfähigkeit erklären. Nimmt man die Zustandsdichte des Metalls im Bereich der Fermi-Energie als näherungsweise konstant an, wie es für viele Metalle der Fall ist, so ergibt sich eine lineare $I(U)$-Kennlinie. Aufgrund ihrer hohen Inertheit werden für Untersuchungen an Luft vor allem Edelmetalle wie Gold und Platin genutzt.

Isolatoren haben eine große Bandlücke zwischen dem obersten besetzten (Valenz-) Band und dem Leitungsband. Da weder Elektronen in das Leitungsband angeregt werden können, noch die Elektronen in den anderen Bändern beweglich sind, können solche Materialien nicht für RTM Untersuchungen genutzt werden.

Halbleiter zeichnen sich dadurch aus, dass die bereits erwähnte Bandlücke relativ klein ist ($\Delta E$ etwa 1 eV), was ein Anheben von Elektronen durch optische, thermische oder elektrische Anregung in das Leitungsband ermöglicht. Darüber hinaus können Halbleiter dotiert werden. Dabei werden durch gezielt eingefügte Fremdatome Zustände in der Bandlücke besetzt, was wiederum zu einer höheren Besetzung des Leitungsbandes mit Elektronen führt. Da die Fermi-Energie normalerweise noch in der Bandlücke liegt, sind größere Tunnelspannung nötig, um einen Tunnelstrom zu erhalten (Abb. 1b). Durch die Bandlücke im Bereich der Fermienergie steigt die $I(U)$-Kennlinie nur für Spannungen mit Beträgen an, die größer sind als die Bandlücke ($\Delta E \over e$). Für Spannungen, denen Energien in der Bandlücke entsprechen, ist der Strom Null.

Einen Grenzfall bilden die sog. Halbmetalle. Dort ist die elektronische Zustandsdichte nur an der Fermi-Energie Null und steigt ansonsten näherungsweise linear an. Daraus resultiert ein Wendepunkt der $I(U)$-Kennlinie bei $E_F$ (Abb. 1b).

Abb. 1: Wichtige Materialklassen. a) Bändermodell. Gekreuzt schraffierte Bereiche stellen schematisch die besetzten Energiebänder dar, die einfach schraffierten die unbesetzten. Die Kurven repräsentieren die Fermiverteilung. b) Zusammenhang zwischen elektronischer Zustandsdichte $\rho(U)$ (oben) und $I(U)$-Kennlinie (unten) für Metall, Halbleiter und Halbmetall.

Eigenschaften von WSe2

Wolframdiselenid (WSe2) ist ein Halbleiter mit einer indirekten Bandlücke von 1.2 eV und einem direkten Abstand von Valenz- zu Leitungsband von 2.4 eV. WSe2 liegt in Schichten vor, wobei sich Ebenen von Wolfram und Selenid abwechseln. Wie in Abb. 10 dargestellt, liegen die kovalent gebundenen WSe2-Schichten als "Sandwich" vor. Zwischen den Sandwiches besteht eine schwache van-der-Waals-Bindung, die sich recht einfach spalten lässt. Die dabei entstehenden Stufenkanten haben daher einen Abstand von etwa 6.5 Å. Zu beachten ist, dass sich die Atomanordnung von einem zum nächsten Sandwich invertiert, was Konsequenzen für die Ausrichtung von Stufenkanten hat.

Bei der Rastertunnelspektroskopie auf WSe2 ist zu beachten, dass das elektrostatische Feld der Spitze des Rastertunnelmikroskops auf Halbleitern nicht vollständig abgeschirmt wird. Die Spitze hat dann einen Einfluss auf die Bänder des Halbleiters (sog. "spitzeninduzierte Bandverbiegung"). Dies hat zum Effekt, dass die gemessene Bandlücke oft größer erscheint als die tatsächliche.

Abb. 2: a) Kovalent gebundene Atomanordnung in der WSe2 Sandwich-Struktur mit trigonal prismatischer Anordnung der Wolfram-Atome. b) Querschnitt durch zwei Sandwiches der Struktur. Von einem zum nächsten Sandwich ist die atomare Anordnung invertiert.