Brand

Einführung

Das Rastertunnelmikroskop als Zugang zur Quantenwelt

Die Erfindung des Rastertunnelmikroskops (RTM) im Jahre 1982 durch G. Binnig und H. Rohrer und die daraus hervorgegangenen weiteren Rastersondenverfahren wie Rasterkraft- und Magnetkraftmikroskopie haben die der Oberflächenphysik zur Verfügung stehenden experimentellen Methoden enorm erweitert. Bei allen diesen Verfahren wird ein Oberflächenausschnitt zeilenweise mit einer feinen Sonde "abgetastet", wobei für das "Abtasten" unterschiedliche Wechselwirkungen zwischen der Sonde und der Oberfläche ausgenutzt werden. Dadurch lassen sich verschiedene Eigenschaften von Festkörperoberflächen wie z.B. das elektrostatische Potential in der Rasterkraftmikroskopie oder das magnetische Streufeld in der Magnetkraftmikroskopie mit atomarer Auflösung vermessen.

Bei der Rastertunnelmikroskopie ist die zugrundeliegende Wechselwirkung der Tunnelstrom zwischen der zu untersuchenden Oberfläche und der i.A. metallischen Sonde. Dadurch hat man direkten Zugriff auf die (lokale) elektronische Zustandsdichte (LDOS: local density of states), die mit atomarer Ortsauflösung vermessen werden kann. Das Funktionsprinzip des RTM ist erstaunlich einfach: An die zu untersuchende (leitende) Oberfläche wird eine Spannung $U$ von einigen Zehntel Volt angelegt und eine metallische Spitze angenähert, bis kurz vor dem mechanischen Kontakt ein Tunnelstrom $I$ von wenigen pA bis einigen nA zu fließen beginnt.

Die Spitze ist an einem piezoelektrischen Stellelement befestigt, welches die präzise Bewegung der Spitze in allen drei Raumrichtungen erlaubt. Im üblichen topographischen Betriebsmodus wird der Tunnelstrom über die Regelung der z-Position der Spitze konstant gehalten, während die Spitze zeilenweise über die Probe geführt wird. Die so aufgezeichnete Fläche $z(x,y)$ bezeichnet man als die Topographie der Oberfläche. Diese Fläche spiegelt nicht unmittelbar die Atompositionen wieder. Tatsächlich selektiert man über die Wahl der Tunnelspannung die zum Strom beitragenden elektronischen Zustände. Sauerstoffatome auf Metalloberflächen werden z.B. in der Regel als Vertiefungen abgebildet, auch wenn sie geometrisch auf der Oberfläche liegen, da sie lokal die Zustandsdichte am Ferminiveau reduzieren.

Bei der Abbildung rauher Oberflächen (für ein RTM sind dies Oberflächen mit Höhenunterschieden von einigen Nanometern) spielt dieser Effekt allerdings nur eine untergeordnete Rolle. Stattdessen wird hier die Geometrie der Tunnelspitze wichtig: man misst dann eine Faltung von Oberflächenstruktur und Spitzenform.

Mit dem RTM kann man jedoch nicht nur Topographie und Zustandsdichte der Probenoberfläche vermessen. Man kann die Sonde auch als Werkzeug benutzen, um die Oberfläche gezielt auf Nanometerskala zu verändern. So wurde zuerst von Don Eigler von IBM (Almaden, USA) gezeigt, dass man einzelne Atome auf Oberflächen zu nahezu beliebigen Strukturen zusammenschieben kann. Dies ebnete den Weg zu ganz neuartigen Experimenten, bei denen man versucht, die Eigenschaften der Nanostruktur so einzustellen, dass sich neue interessante, physikalische Phänomene zeigen, die zu neuen technischen Anwendungen führen.

Die folgenden Abschnitte geben eine Einfürung in die für den Praktikumsversuch relevanten Aspekte von Rastertunnelmikroskopie und Festkörperstrukturen.

Viel Spaß wünschen Jens Wiebe und Stefan Krause!