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Kurzversuch

Kalibrierung eines Rastertunnelmikroskops

Ein Rastertunnelmikroskop soll genutzt werden, um das atomare Gitter einer Probenoberfläche abzubilden und aus den gemessenen Atomabständen mittels Referenzvergleich eine Kalibrierung des Instruments vorzunehmen.

Ort

Forschungsgruppe Rastersondenmethoden
(Prof. Dr. R. Wiesendanger)
www.nanoscience.de

Universität Hamburg
Campus Jungiusstraße
Gebäude 9A, Raum 102

Betreuer

Im Sommersemester: Dr. Stefan Krause

Im Wintersemester: Dr. Jens Wiebe

Funktionsprinzip

Das Rastertunnelmikroskop ist ein Instrument, das atomgenau die Oberflächenstruktur von leitfähigen Materialien abbilden kann. Hierfür wird eine metallische Spitze über der zu untersuchenden Oberfläche platziert und eine Spannung von einigen mV bis V zwischen ihnen angelegt. Kurz vor dem mechanischen Kontakt (ca. 1 nm Abstand) setzt ein elektrischer Stromfluß zwischen Spitze und Probenoberfläche ein. Dieser Strom basiert auf dem sogenannten Tunneleffekt: Elektronen können die sehr kleine Distanz zwischen der Spitze und der Probe überwinden („tunneln“). Während in der klassischen Physik solche Effekte nicht erlaubt sind, können bei sehr kleinen Abständen zwischen zwei elektrischen Kontakten Quanteneffekte eine große Rolle spielen und z.B. einen berührungslosen Stromfluß „durch das Nichts“ ermöglichen. Der resultierende Tunnelstrom ist sehr klein (typischerweise nA) und muß daher mittels geeigneter Strom-Spannungswandler mit hohen Verstärkungsfaktoren in ein messbares Signal (typischerweise mV bis V) umgewandelt werden. Die Stärke des Tunnelstroms hängt exponentiell vom Abstand zwischen der Spitze und der Oberfläche ab. Dieser Umstand erlaubt die hohe Sensitivität des Rastertunnelmikroskops: Eine Variation des Spitze-Probe-Abstands um einen Ångström (10-10 m) resultiert in einer Änderung des Tunnelstroms um eine Größenordnung.

Experimentelle Realisierung

Um die Oberflächenstruktur einer Probe abzubilden, rastert die Spitze zeilenweise über die Probe, während der Abstand zwischen Spitze und Probe so nachgeregelt wird, dass der gemessene Tunnelstrom immer bei einem festgelegten konstanten Wert bleibt (Abb. 1). Um eine hohe laterale (x,y) und vertikale (z) Auflösung von wenigen Pikometern (10-12 m) zu erreichen, bedarf es einer sehr genauen Positionierung der Tunnelspitze über der Probenoberfläche. Konventionelle mechanische Positioniersysteme finden hierbei keine Verwendung. Stattdessen wird die Rastertunnelspitze mittels piezoelektrischer Stellelemente positioniert. Hierbei wird der inverse Piezo-Effekt genutzt, bei dem sich eine Piezokeramik beim Anlegen einer Spannung (bis ca. 100 V) verlängert bzw. verkürzt. Die Spitze ist an einem Piezo-Röhrchen befestigt, das auf der Innenseite mit einer Elektrode und an den Außenseiten mit vier Quadranten-Elektroden beschichtet ist. Das laterale Rastern der Spitze in x- bzw. y-Richtung wird realisiert, indem zwischen der Innenelektrode und zwei gegenüberliegenden Elektroden eine Spannung angelegt wird, die in einer effektiven Verbiegung des Röhrchens resultiert.

Annäherung in den Tunnelkontakt

Für die Kalibrierung des Rastertunnelmikroskops soll die Oberflächen von HOPG atomar abgebildet werden. Da die einzelnen Lagen des Graphits in HOPG nur durch die relativ schwachen Van-der-Waals-Kräfte verbunden sind, ist die Präparation einer sauberen Probenoberfläche relativ einfach: Die schwachen Bindungen zwischen den einzelnen Lagen können mithilfe eines Klebestreifens aufgebrochen werden. Durch das Auflegen und Abziehen des Klebestreifens entsteht eine „frische“ und saubere Oberfläche, die erst nach und nach mit Atomen und Molekülen aus der Raumluft kontaminiert wird.

Bei dem im Versuch verwendeten Rastertunnelmikroskop wird die zu untersuchende Probe in eine Schublade geklemmt, die durch einen Piezo-Motor in die Nähe der Spitze gefahren werden kann. Beim Abrastern im Tunnelkontakt wird dagegen die Spitze mittels des Piezoröhrchens bewegt. Zum Heranfahren der Probe in den Tunnelkontakt wird zunächst die Probe bis auf ca. ¼ mm Abstand an die Spitze herangefahren (Sichtkontrolle durch ein optisches Mikroskop). Die weitere Annäherung übernimmt die Steuerelektronik des Rastertunnelmikroskops. Der Piezomotor bewegt die Probe um einen Schritt in Richtung Spitze, anschließend wird die Spitze mit dem Piezoröhrchen ausgefahren und überprüft, ob ein Tunnelstrom fließt. Ist dies nicht der Fall, wird die Spitze mit dem Piezoröhrchen wieder zurückgezogen. Es folgt dann ein weiterer Schritt mit dem Piezomotor, und die Spitze wird erneut ausgefahren. Diese Prozedur wiederholt sich, bis ein Tunnelstrom gemessen wird.

Atomare Auflösung

In erster Näherung können die Atome in der Probenoberfläche als gitterförmige Anordnung von Kugeln beschrieben werden. Beim Abrastern der Oberfläche mit der Spitze und bei konstantem Tunnelstrom fährt die Spitze die Kontur der Atome in konstantem Abstand nach, und man erhält ein dreidimensionales Abbild des atomaren Gitters.

Messgrößen

Für die Abbildung einer Probenoberfläche wird von einer Steuereinheit die Rastertunnelspitze zeilenweise über die Probe geführt, wobei mittels eines Regelkreises der Tunnelstrom und damit der Abstand zur Probenoberfläche konstant gehalten wird. Zur Positionierung werden also Spannungen Ux und Uy an die Elektroden des Piezoröhrchens angelegt, der gemessene Tunnelstrom Itunnel mit dem Sollwert Isoll verglichen und die Spannung Uz zur vertikalen Auslenkung des Piezoröhrchens so angepasst, dass der gemessene Tunnelstrom dem Sollwert entspricht (Abb. 1). Die gewonnene Information Uz = f (Ux, Uy) wird aufgezeichnet und ergibt farbcodiert ein dreidimensionales Bild.


Abb. 1: Funktionsweise eines Rastertunnelmikroskops. Während die Tunnelspitze rasternd über die Probe gefahren wird, sorgt ein Regelkreis für einen konstanten Tunnelstrom und damit für einen konstanten Abstand zwischen Spitze und Probe. Die Auslenkungen der Spitze (z) in Funktion des lateralen Ortes (x, y)ergeben dann das Rastertunnelmikroskopie-Bild.

Kalibrierung

Um die an die Elektroden des Piezoröhrchens angelegten Spannungen (in V) in tatsächliche Auslenkungen (in nm) umrechnen zu können, bedarf es der Kalibrierung des Rastertunnnelmikroskops. Hierbei wird eine Probenoberfläche abgebildet, deren Struktur bereits sehr gut bekannt ist. Aus den Bildern werden dann gemessene atomare Abstände oder die Höhen von atomaren Stufenkanten als entsprechende Referenzwerte für die x/y- bzw. z-Kalibrierung verwendet.

Hochorientiertes pyrolytisches Graphit (HOPG)

Kohlenstoff besitzt sechs Elektronen. Die vier äußeren Elektronen der zweiten Schale spielen dabei eine wichtige Rolle für die elektronischen Eigenschaften von HOPG. Sie sind auf das 2s Niveau (2) und zwei der drei 2p Niveaus (jeweils 1 in 2px und 2py) verteilt. Die 2s, 2px und 2py Wellenfunktionen überlappen sich und bilden drei sogenannte sp2 Hybride. Innerhalb der einzelnen HOPG-Ebenen bestehen also kovalente Bindungen zwischen den Kohlenstoffatomen. Diese sp2 Orbitale richten sich zweidimensional aus und schließen zueinander einen Winkel von 120° ein. Das übriggebliebene pz Orbital formt pi-Bindungen mit benachbarten pz-Orbitalen mit deutlich geringeren Bindungsenergien als die sigma-Bindungen der sp2 Orbitale. Diese bilden so das Leitungsband in Form eines Elektronengases. Da diese Orbitale längs der Ebene überlappen, ist ihre Leitfähigkeit längs viel höher als senkrecht zur Ebene. Aufgrund dieser Anisotropie und der – verglichen mit Metallen – geringen Ladungsträgerkonzentration wird Graphit auch als Halb-Metall bezeichnet.

Das atomare Gitter innerhalb einer Ebene von HOPG bildet eine Honigwabenstruktur mit den Gitterkonstanten a = 1,42 Å und c = 6,67 Å (Abb. 2). Die besondere Schichtung der Ebenen resultiert in zwei unterschiedliche Sorten von Oberflächenatomen. So gibt es Oberflächenatome, unter denen direkt ein weiteres Atom zu finden ist (α-Punkte), während die zweite Art von Oberflächenatomen (β-Punkte) genau über der Mitte der tiefer gelegenen hexagonalen Ebene liegen und daher erst in der übernächsten Ebene ein weiteres Atom unter sich haben. Dies führt zu einer unterschiedlichen lokalen elektronischen Zustandsdichte der α- und β-Atome und schließlich zu einer unterschiedlichen scheinbaren Höhe im Rastertunnelmikroskopbild. [1]


Abb. 2: Kristallstruktur von HOPG. Die α-Punkte haben ein Atom direkt unter sich, die β-Punkte jedoch nicht. Die Seitenansicht verdeutlicht die ABA-Stapelreihenfolge der Lagen.

Aufgabenstellung

  1. Bringen Sie die Spitze des Rastertunnelmikroskops in den Tunnelkontakt zur Probe. [U = 1 V, I = 1nA].
  2. Erzeugen Sie ein Übersichtsbild der Probenoberfläche [Ausschnitt (500 nm)2, Pixelauflösung (500 px)2]. Was beobachten Sie?
  3. Verkleinern Sie nach und nach den Messbereich [(250 px)2] und variieren Sie die angelegte Spannung und den Sollwert des Tunnelstroms, bis Sie das atomare Gitter sehen. Bei welchen Tunnelparametern erscheint das Gitter am deutlichsten? Welcher Zusammenhang besteht zwischen dem beobachteten Gitter und dem tatsächlichen atomaren Gitter der Oberfläche?
  4. Bestimmen Sie unter Verwendung der Auswertesoftware WSXM den Gitterabstand der Atome entlang der drei Richtungen dichtgepackter Reihen:
    • Mittels Linienprofilen im Realraum
    • Mittels Fouriertransformation des Bildes
    Welche Methode ist besser, und warum?
  5. Bilden Sie eine selektive Rücktransformation des Fourierbildes in den Realraum und vergleichen Sie sie mit dem originalen Messbild. Entspricht das rücktransformierte Gitter dem Gitter aus dem Messbild?
  6. Diskutieren Sie die erhaltenen Gitterparameter entlang der verschiedenen Richtungen. Sind sie gleich? Wenn nein, welche systematischen Fehler können vorliegen, und wie können diese ggf. vermieden werden?
  7. Bestimmen Sie die Kalibrierungsfaktoren (in nm/V) und tragen Sie diese in die Steuerungssoftware des Rastertunnelmikroskops ein.

Literatur

  1. D. Thomanek et al., Phys. Rev. B 35, 7790 (1987): DOI PDF
    Theory and observation of highly asymmetric atomic structure in scanning-tunneling-microscopy images of graphite
    Diese Veröffentlichung enthält eine anschauliche Erklärung, warum in Rastertunnelmikroskopie-Bildern der (0001)-Oberfläche von Graphit meist das eine Untergitter der Atome überwiegt.